Eine Rezension in der Zeitschrift "Freie Psychotherapie":
"Soll doch jeder nach seiner Fasson selig werden! Dieses Buch polarisiert, es bietet Diskussionsstoff und weckt sicherlich den Widerspruchsgeist derer, welche die hier formulierten Theorien und Praktiken nicht nachvollziehen können, weil ihr Erleben ein anderes ist. Die Theorie: Sex, zumal orgasmusgekrönt, bringt Paare auseinander, da die unmittelbar darauffolgende Dopaminauschüttung einen 14 Tage währenden Kater verursacht, für den unterbewusst der Partner verantwortlich gemacht wird. Es geht einem also schlecht, weil man miteinander geschlafen hat.
Anhand akribisch herausgearbeiteter Studienregebnisse belegt die Heilprakikerin für Psychotherapie diese Feststellung. Neurobiologische Forschungen scheinen sie zu bestätigen. ist es aber nicht so, dass, so unterschiedlich die Menschen sind, sich auch der neuronale Kater, wie auch die Spielarten der menschlichen Sexualität darstellen? Was beliebt ist, ist auch erlaubt, und wenn man 100 glückliche Paare nach erfüllter Sexualität fragen würde, bekäme man sicher 100 verschiedene Antworten.
Als Lösung für das dargestellte Problem, dass orgasmischer Sex wegen des neuonalen Katers die Paare auseinandertreibt, bietet die Autorin Karezza an, womit eine sanfte, liebevolle Sexualität ohne Orgasmus gemeint ist. Aber ist das wirklich alleinseligmachend? Die Autorin unterstellt Männern, dass sie aufgrund des sexuellen Dauerfeuers in Medien und Internet kaum mehr aus der Erregung herauskommen und empfiehlt ihnen, "den PC pornosicher zu machen und den Ferseher am besten aus dem Fenster zu werfen". Spätestens bei dem Erfahrungsbericht eines Mannes über den Umgang mit orgasmusfreiem Sex regt sich bei mir massivver Widerstand: Er entschuldigt sich quasi dafür, wenn er doch einmal ejakuliert. Er klagt sich für das Versagen seiner Selbstbeherrschung an, weil er den Rubikon überschritt und vor dem Point of no Return die Kurve nicht gekriegt hat.
Es mag ja sein, dass orgasmusfreier Sex einem köstliche Gefühle ungeahnter Güte beschert. Die Autorin empfiehlt, das Karezza-Programm doch einmal auszuprobieren. Ja, warum nicht, wenn es in einer Beziehung kriselt, liegt es vielleich doch am 14-Tage-Kater? Wenn aber die Forderungen des Karezza-Programms neue Zwänge oder gar Schuldgefühle mit sich bringen, sollte der Weg doch lieber ein anderer sein." (Heidi Kolboske)
Der Erfahrungsbericht, auf den sie sich bezieht:
„Wir hatten die letzte Nacht keinen Geschlechtsverkehr, statt dessen wollte ich mit meiner Frau darüber sprechen, wie es uns mit diesem neuen Lebensstil geht. Keinerlei Problem, was sie angeht. Sie mag es sehr. Sie vermisst den Orgasmus nicht und hat auch kein Verlangen mehr danach. Darüber wollte ich Genaueres wissen, denn sie hatte früher enorm heftige Orgasmen. Ich jedenfalls mochte es ziemlich, daran teilzuhaben und dabei zuzusehen! Ich fragte, wie sie denn so enorm orgasmisch sein könne und trotzdem jetzt keine mehr wolle. Sie sagte, sie hätte sich noch Tage danach total ausgelaugt gefühlt! Das hatte ich gar nicht gewusst. Sie sagte, das wäre ihr der Orgasmus einfach nicht wert.
Was mich betrifft, habe ich jetzt seit zwei Monaten keinen Orgasmus gehabt und nur einen in den letzten drei Monaten. Der, den ich im Juli hatte, war ziemlich ärgerlich. Er kam schnell und unerwartet. Ich bin sicher, dass das immer wieder mal passieren wird, doch es war weit davon entfernt, angenehm zu sein. Ich war ziemlich sauer, weil damit das ganze Schöne vorbei war und dazu noch die Sauerei und all das... Je länger ich das mache, desto weniger vermisse ich Orgasmen und desto weniger will ich einen haben. Ich liebe das Gefühl, nur ganz leicht erregt zu sein und wie das am Ende eines Treffens sanft nachlässt, und von einer inneren Beruhigung ersetzt wird.
Wir kuscheln und knutschen jede Nacht. (...) Wir sind beide der Meinung, dass das unserer Ehe wunderbar gut tut.“
Aktualisierung ein Jahr später:
„Ich würde sagen, dass wir uns ziemlich gut in unseren neuen Lebensstil eingefunden haben. Wir sind einander näher als wir es je zuvor waren. Wir sind liebevoller und sichtlicher verliebt! (...) Unser Bindungsverhalten, das Geschlechtsverkehr einschließt, ist sehr im Fluss, nicht zielorientiert und wunderschön! Wenn aus Versehen ein Orgasmus passiert, dann passiert er halt, aber wir sind uns der Veränderungen bewusst, die nach einem Orgasmus geschehen, also möchten wir das auf jeden Fall vermeiden. Ich hatte eine schreckliche Zeit von September bis Mitte November, aber bin über dieses Hindernis hinweg und habe seit Mitte November nicht ejakuliert. Ich habe seit dem letzten Sommer nicht onaniert. Meine Frau hatte ein paar kleine Orgasmen, aber ohne großen Stress danach. Ich schreibe das unserem permanenten Bindungsverhalten zu...
Kein Problem damit, nicht zu ejakulieren. Ich finde, wenn man nicht ejakulieren will, dann ist es schlimm, wenn es passiert! Es beendet das ruhige Zusammensein und man muss alles saubermachen. Ein richtiger Dämpfer! Ich fand, es war einfach, die Ejakulation zu vermeiden, nachdem ich das Denkschema vollständig verstanden hatte. (...) Während ich mich immer mehr da hinein entspanne, entdecke ich köstliche Gefühle, die ich nie vorher bemerkt hatte!“